Mit einem Konzert am 8. Mai 2011 übernimmt der Jurist Jan Hansen die Leitung des Bessunger Kammerchors
Tagsüber dreht sich Jan Hansens Welt um Urheberrecht, um die Vernetzung von E-Learning-Angeboten an hessischen Hochschulen und um viele Zahlen - wie es sich für den Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins „Hessisches Telemedia Technologie Kompetenz-Center” gehört. An der Hochschule Darmstadt weist Hansen künftige Toningenieure auf rechtliche Fallstricke hin.
Im zweiten Teil seines Doppellebens aber sind ganz andere Sachen für den 49 Jahre alten gebürtigen Oberurseler wichtig: Wie phrasiert man Barockmusik, was unterscheidet die Linienführung bei Bach von der bei Brahms? Und stimmen überhaupt die Töne?
Bald führt er auch das Kammerorchester
Mit einem Konzert am 8. Mai (17 Uhr) in der Bessunger Kirche übernimmt der mit Frau und Sohn in Darmstadt lebende Jan Hansen die Leitung des Bessunger Kammerchors; die Arbeit mit dem verschwisterten Bessunger Kammerorchester teilt er sich noch mit Jörg Mangelsdorf, dem Gründer der Ensembles; in absehbarer Zeit will sich dieser aber ganz zurückziehen.
Jan Hansen will den Bessunger Kammerchor behutsam in die Moderne führen. FOTO: GÜNTHER JOCKEL
„Es ist ein gleitender Übergang”, sagt Hansen, der auch mit Gegensätzen offenkundig kein Problem hat. „Der Wechsel zwischen den Welten macht einfach Spaß”, betont er. „Man kann sich bei einem vom anderen erholen” - und meint damit Juristerei wie Musik.
Zu beidem gehört in aller Regel eine gründliche Ausbildung. Als Hansen 1985 sein Studium der Rechtswissenschaften aufnahm, das ihn nach Bochum und später nach Düsseldorf führte, war er schon weit herumgekommen in der anderen Welt. Von Schulchören und Klavierspiel führte der Weg zum privaten Dirigierunterricht an der Staatsoper von Hannover - „aus eigenem Antrieb”, wie Hansen sagt, der als Sohn eines Geschäftsmanns häufige Ortswechsel hinter sich hat.
Nach der Zeit bei der Bundeswehr arbeitete Hansen gar als Korrepetitor in Hildesheim. „Da merkte ich aber, um wie vieles unromantischer diese Branche ist im Vergleich zu den Vorstellungen, die man hat”, erklärt Hansen. Er habe sich dann für eine „bürgerliche Existenz” entschieden, sagt der großgewachsene Mann und hat den Schalk im Blick. Das eine zu tun, dafür steht er freilich, heißt nicht, das andere zu lassen.
So wie Hansen als Aushilfe für einen Schulchorleiter einsprang, so kam er auch in Bessungen gerade recht. Als Tenor sei er im Winter 2009 beim Chor eingestiegen, erzählt er, in der Absicht, ein, zwei Projekte mitzumachen. Jörg Mangelsdorf ließ sich bald von ihm vertreten. Hansen: „Es war eine ungeplante, unerwartete Gelegenheit - eine sehr gute.”
Wie Mangelsdorf zuletzt ist er ausschließlich für künstlerische Belange zuständig; gerade da aber sieht Hansen gar keinen Grund, alles umzukrempeln, was sein geschätzter Vorgänger gemacht hat. Lieber spricht er von „Evolution” und davon, dass sich der Bessunger Kammerchor weiterhin intensiv den Kantaten und Oratorien des klassisch-romantischen Repertoires widmen werde: „Das bleibt der Grundstock.” Mozarts Requiem steht ganz oben auf der Wunschliste.
Am 28. August lässt er sein Ensemble indes gemeinsam mit Marimbaspielern auf der Rosenhöhe auftreten; und ein paar moderne Kompositionen mehr sollen es künftig auch sein. „Einen kleinen Spielraum gibt es”, sagt Hansen. „Den will ich nutzen.” Tonal und eingängig müsse das meiste schon sein, fügt der Fan des Neutöners Elliott Carter hinzu. Und es solle etwas sein, das die etwa 35 Sängerinnen und Sänger wollen.
Den guten Willen glaubt Hansen schon jetzt zu spüren. „Die Akzeptanz und Offenheit für Neues ist viel größer, als ich gedacht habe.” Ohne Widerstand habe er den Chor schon in einer Probe für Bachs Weihnachtsoratorium zum Tanzen gebracht. „Danach war es lockerer.”